Stilles Vermächtnis by Durrant Sabine

Autor:Durrant, Sabine [Durrant, Sabine]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Pendo
veröffentlicht: 2015-03-30T16:00:00+00:00

ZACH

November 2010

Es war falsch, mich zu entspannen. Menschen wie ich dürfen sich nicht entspannen. Vielleicht bewegen wir uns außerhalb der Grenzen, die das Verhalten anderer Leute einschränken, aber wir sind niemals frei. Gelegentlich strecken die Personen in uns die Hände aus, packen uns und drücken unser Gesicht gegen den Stacheldraht.

Ich war im Bad, als ich Lizzie telefonieren hörte. Ihre Stimme hatte einen eifrigen Beiklang. Angus, dachte ich angeekelt. Dieser Arsch von einem Referendar. Aber nein – ein völlig anderes Problem. Nicht ihr Handy. Meins. Ich hatte es auf dem Küchentisch liegenlassen, und sie ist rangegangen. Ich habe ihr zu viel durchgehen lassen.

Pete habe angerufen, sagte sie. Er und Nell waren am Bahnhof – Victoria Station, sie seien gestern wegen einer Party nach London gekommen –, und da sie wüssten, dass ich in London sei, hätten sie »auf gut Glück« angerufen. Lizzie hatte sie zu uns eingeladen. Sie hatte ihnen die Adresse gegeben.

»Hierher?«

»Zum Mittagessen«, sagte sie. »Ich dachte, du würdest dich freuen. Es war so schade, dass sie nicht zur Hochzeit kommen konnten. Ich kann es gar nicht erwarten, sie endlich kennenzulernen. Ich habe gesagt, ich würde sie abholen.«

Sie trug die Designer-Jeans und ein tailliertes bretonisches T-Shirt, das ich ihr in der neuen Boutique in der Northcote Road gekauft hatte. Sie hat die Sachen erst seit ein paar Wochen, aber die Jeans sind am Knie fleckig und das T-Shirt hat schon Löcher – wie ein Ausschlag, ein Haufen kleiner Nadelstiche. Sie folgte meinem Blick. »Ich weiß«, sagte sie und sah an sich hinunter. »Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Dumm, was?«

»Ja«, sagte ich und beobachtete ihr Gesicht. »Weißt du eigentlich, wie viel Zeit ich darauf verwendet habe, dieses Shirt auszusuchen, mir zu überlegen, was dir stehen könnte?«

»Es tut mir leid«, sagte sie.

»Weißt du, wie teuer es war?«

Doch sie duckte sich nicht weg, wie ich gedacht hatte. Sie sah mich mit trotzig erhobenem Kinn an. »Natürlich weiß ich, wie teuer es war«, sagte sie. »Ich habe es bezahlt. Wenn du nicht willst, dass Nell und Pete herkommen, ist das okay. Ich verstehe das. Wir können stattdessen zum Italiener gehen. Aber sag es einfach. Fang nicht einen Streit wegen irgendetwas anderem an.«

Überrumpelt sagte ich: »Ich mag es nicht, wenn jemand an mein Handy geht. Ich brauche …«

»Schon gut«, sagte sie fest. »Ich verstehe. Jetzt reiß dich zusammen und ruf sie zurück.«

Das Komische ist, sobald wir im Restaurant waren, hörte ich auf, mir Sorgen zu machen. Wenn es sein muss, kann ich mich, wie es scheint, aus jeder Lage herauswinden. Die Leute sind sehr viel weniger neugierig, als man erwartet. Meistens machen sie sich nicht einmal die Mühe, ihr eigenes Gedächtnis zu durchforsten. Lizzie bekam sehr schnell mit, dass die beiden gar nicht zur Hochzeit eingeladen gewesen waren. »Schon im Hafen der Ehe eingelaufen, was?«, sagte Pete und hieb mich auf den Rücken. »Du bist mir einer!« Aber sie zwinkerte mir zu, als spiele es keine Rolle.

Ich bekam mit, dass Nell – eine versnobte kleine Absolventin des ältesten, besten und teuersten Mädcheninternats in

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